Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion
Grüne Synthesen durch Strom – Elektrochemische Reduktion von Nitroaromaten als alternative und komplementäre Herstellung von Wirkstoffen und deren Metaboliten
Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, Mülheim an der Ruhr
Schlüsseltechnologie einer künftigen Chemieindustrie
Die Elektrosynthese komplexer organischer Chemikalien galt bis vor wenigen Jahren als eine Nischentechnologie. Sie wird jedoch durch die voranschreitende Energie- und Rohstoffwende und die durch den Klimawandel notwendige Defossilierung, sowie erweiterte Nutzung elektrischer Energie (Sektorenkopplung zur Elektrifizierung der Chemikalienproduktion), zu einer Schlüsseltechnologie für eine zukünftige Chemieindustrie (Abb. 1). Die direkte Nutzung von Strom als Reagenz ist besonders attraktiv, da es keine direkten Reagenzabfälle erzeugt, milde Synthesebedingungen erlaubt und inhärent sicherist. Entscheidende Schlüsselergebnisse aus der Wissenschaft sind das elektrosynthetische Screening und Kapillarspaltzellen zur energieeffizienten Umsetzung, die zu kürzeren Synthesewegen und dem Ersatz von umweltschädlichen Verfahren, gefährlichen Reagenzien sowie kritikalen, fossilen Ressourcen führen. Für eine technische, disruptive Einführung der Elektrosynthese in der chemischen Industrie benötigt das Feld eine Revolutionierung hin zu modernen und kompetitiven Prozessen und Produktionsanlagen, vergleichbar mit der Pionierzeit der chemischen Herstellungstechnologie am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) beschäftigt man sich unter anderem mit der Erforschung und dem Transfer elektroorganischer Synthesen vom Labor- in den technischen Maßstab. Hierzu werden Lösungsvorschläge und Schlüsseltechnologien für nachhaltige, robuste und zukunftsfähige Prozesse und Produkte etabliert. Diese Forschung ist ein weiterer Grundstein zur CO2-Neutralität in solchen technischen Prozessen. Durch diesen Beitrag zur Energie- und Rohstoffwende bietet das MPI CEC nicht nur eine hohe wissenschaftliche und wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Relevanz, da die technologische Souveränität gesichert wird.

Grünerer und effizienterer Weg zu medizinischen Wirkstoffen
In den letzten Jahren gelang es uns am Department für Elektrosynthese am MPI CEC Nitroaromate elektrochemisch zu reduzieren und dabei durch eine chemische In-situ-Folgereaktion direkt in die wichtigen Stickstoffheterozyklen umzuwandeln. Normalerweise führt die Reduktion von Nitroaromaten zu einer Vielzahl an Produkten – nicht so jedoch bei der Elektrosynthese. Hier kann durch eine Steuerung des pH-Wertes und Einsatz geeigneter Kohlenstoffelektroden gezielt das Hydroxylamin-Derivat erhalten werden.
Dieses erlaubt einen schnellen Zugang zu oxygenierten und hydroxylierten Stickstoffheterozyklen, welche oft als Metaboliten von zum Beispiel medizinischen Wirkstoffen diskutiert werden. In einigen Fällen können sie sogar eine höhere Wirksamkeit als der eigentliche Wirkstoff aufweisen. Viele dieser Substanzen sind über konventionelle chemische Methoden nicht oder nur schwerlich zugänglich. Neben dem schnellen und verkürzten Zugang durch Elektrosynthese ist für die pharmazeutische Anwendung vor allem die metallfreie Umsetzung von großer Bedeutung, um das Spurenelementprofil zu optimieren. Somit wurde nicht nur ein grünerer und effizienterer Weg zu den Wirkstoffen etabliert, sondern auch eine Methode eröffnet, welche das Repertoire der Synthesechemie erweitert.

Für die schnelle und effiziente Erforschung der Elektrosynthese ist das elektrosynthetische Screening von zentraler Bedeutung, bei dem verschiedene Reaktionsparameter parallel untersucht werden können. Neben der für uns relevanten Reduktion an der Kathode müssen bei der Elektrosynthesen immer beide Elektrodenreaktionen beachtet werden. Als Reaktion an der Gegenelektrode, der Anode, wird in der Regel Wasser als Lösungsmittelbestandteil in Sauerstoff überführt. Über diese neue Herstellungsmethode konnten Antibiotika und Metaboliten gängiger Wirkstoffe zügig im Gramm-Maßstab hergestellt werden. Diese zum Teil neuartigen Verbindungen werden den Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund für Bioaktivitätstest zur Verfügung gestellt.
Literaturhinweise
DOI: 10.1039/D0SC01848A
DOI: 10.1002/anie.202014544
DOI: 10.1016/j.xcrp.2024.101927
DOI: 10.1021/acs.oprd.4c00337
DOI: 10.1039/D4CC02118E